Ostdeutsche über ihre Eindrücke im Westen
Das Land: Es war so schön, es gab alles;
toll was los; man kann jeden Tag ausgehen; niemand muß sich anstellen; die
Produkte sind so lange haltbar; das griechische Essen war gut; angenehm fiel
mir auf, daß die Industriegebiete außerhalb der Städte liegen; viele schön
angelegte Spielplätze; alles ist wohldurchdacht und praktisch; in den
Gaststätten ist immer Platz; welch ein Komfort selbst der Sozialwohnungen;
besonders gut gefiel mir der Chaos-Computer-Club; Schmutzecken wie in der DDR;
für Hunde wird mehr getan als für Kinder; dieses Herumlungern auf den Straßen
hat mir gar nicht gefallen; die Schwachen bleiben auf der Strecke; besonders
alleinstehende Frauen sind vom sozialen Abstieg bedroht; ältere Leute sind oft
einsam; der übertriebene Nationalstolz stieß mir auf * faschistische
Schmierereien an vielen Wänden; alles wird nach Geld und Stand ausgerichtet;
die Frau wird als Sexobjekt dargestellt; mir mißfiel die Reserviertheit Fremden
gegenüber (ist durch Kriminalität bedingt!); Jugendliche in den Zügen und auf
der Strafle benehmen sich unmöglich; einige betrachten die Autobahn als
Spielplatz für zu schnell gewachsene Kinder: dieser Autowahn war schrecklich:
alle müssen sich um jeden Preis durchsetzen; die geistigen Werte werden in Geld
umgedacht; selbst für die Benutzung des Nordseestrands mußten wir Eintritt
bezahlen, ein riesiger
Verpackungsaufwand; die Beerdigungskosten sind sehr hoch.
Die Leute: Ich war überwältigt und kann
meine guten Gefühle nicht in Worte fassen; unmittelbar nach der Grenzöffnung,
als wir wie Heuschreckenschwärme über sie kamen, waren die Menschen sehr
freundlich; nach einem Verkehrsunfall gefiel mir besonders gut die
Freundlichkeit und Fürsorge der Polizei und die uneigennützige Hilfe einer
Werkstatt; die Frauen sind so ausgeglichen; Gleichaltrige haben eine so offene
Lebensweise; Frauen können ganz für ihre Familien da sein; bei der Mehrheit der
Menschen sah man heitere Gesichter; bei vorgezeigter Freundlichkeit sind sie in
Wahrheit kalt; die sind ja überkandidelt; jeder macht nur seins; die
Westdeutschen sind unehrlich, kleinbürgerlich und kontaktscheu; sie lassen sich
nicht in die Karten schauen; die bilden sich ein, besser und klüger als wir zu
sein; manche Bundesbürger sind neidisch, weil DDR-Bürger in den Gewinnlisten
der Rätselzeitungen stehen; sie sagen, daß wir Faulpelze seien, denen man erst
das Arbeiten beibringen müsse; gegenüber den DDR-Menschen, deren Leben sie sich
nur schwer vorstellen können, haben die Bundesbürger ein überhebliches Lächeln;
als DDR-Bürger wurde man immer als Bettler angesehen; ich war froh, als ich
wieder in der DDR war.
(Aus: SPIEGEL SPECIAL 1 /1991)
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